10 Fragen zu ChatGPT mit Prof. Munir Georges
ChatGPT ist momentan in aller Munde. Doch um was handelt es sich dabei eigentlich genau, wo liegen seine Stärken und Schwächen und was können wir in Zukunft davon erwarten? Diese und andere Fragen haben wir dem Experten für Text- und Sprachverstehen der Technischen Hochschule Ingolstadt, Prof. Dr. Munir Georges, gestellt.
- ChatGPT – den Begriff hört man aktuell tagtäglich. Können Sie kurz erklären, was das eigentlich genau ist?
GPT steht für „Generative Pretrained Transformer“.
„Transformer“ ist eine spezielle Klasse von Neuronalen Netzen, die von Google Brain vorgestellt wurde und sich sehr gut für Sprachmodelle eignet.
Ein Sprachmodell berechnet für jede Wortfolge, wie wahrscheinlich diese im Sprachgebrauch ist. Open AI, das Unternehmen, das ChatGPT entwickelte, hat ein solches Modell mit vielen Gewichten (175 Milliarden) auf zahlreiche verschiedene Textdaten vortrainiert, also „Generative Pretrained“.
GPT kann für verschiedene Aufgaben weiterverwendet werden. Eine davon ist eben die Textgenerierung, welche von Open AI mit ChatGPT vorgestellt wurde. Der Nutzer schreibt ein paar Wörter, ChatGPT vervollständigt diese, so dass die generierte Wortfolge eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit im alltäglichen Sprachgebrauch aufweist.
- ChatGPT wird kontrovers diskutiert. Wo liegen die Stärken und Schwächen solcher KI-Bots?
Mit ChatGPT wurde gezeigt, dass große neuronale Netze, auf hunderten von Prozessoren (GPUs), mit erheblichen Datenmengen trainiert werden können. Die Technologie wird mit Sicherheit großen Einfluss auf andere Anwendungen in der KI haben.
ChatGPT selbst ist beeindruckend gut bei der grundlegenden Sprachfertigkeit und zeigt großes Potential bei der Verknüpfung von Informationen. Aktuell sind darunter noch viele falsche Verknüpfungen. Es gilt jetzt herauszufinden, wie gewährleistet werden kann, dass nur sinnvolle Verknüpfungen hergestellt werden. Open AI hat hier mit „Bestärkendem Lernen“ (englisch reinforcement learning) bereits einen vielversprechenden Ansatz gewählt.
- Ist es möglich, solchen Chatbots ein Gedächtnis zu geben, zum Beispiel Erinnerungen an Vorlieben, Abläufe und vergangene Fragen und Antworten?
Genau das wurde bei ChatGPT, im Vergleich zu GPT, mit Reinforcement Learning versucht. Viele Probanden haben Antwortalternativen von GPT bewertet. Mit diesen Bewertungen wurde dann die Textgenerierung für ChatGPT angepasst. Eine ähnliche Technologie ist denkbar, um individuelle Vorlieben zu berücksichtigen. Ein Gedächtnis über einen längeren Dialogverlauf ist damit jedoch noch nicht möglich, wird aber sicher bald kommen.
- Kann man sich auf die Aussagen von ChatGPT verlassen? Sagt er immer die Wahrheit?
Nein, eine Garantie auf Wahrheit ist nicht gegeben. Neutralität ist im Übrigen auch nicht gewährleistet. An beidem wird im Hintergrund sicherlich mit Hochdruck gearbeitet.
- In welcher Form bzw. in welchen Bereichen können Unternehmen von den KI-Bots profitieren?
Das muss sich noch zeigen. Schon länger ist die Vervollständigung von Code verfügbar, die die Programmierung beschleunigt. Es sind aber noch viele Aspekte zu klären, u.a. Technische (Wie sicher ist solcher Code?) aber auch Rechtliche (Wer ist der Urheber der Vervollständigung?).
- Angenommen ich erstelle im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit einen Text mit ChatGPT. Darf ich diesen Text kommerziell nutzen oder verletzte ich hier das Urheberrecht?
Spannende Frage. Da wird es sicherlich noch einige Kontroversen geben und zu Rechtsstreitigkeiten kommen. Der Unmut der Autoren und Künstler wächst schon.
- Datensätze generieren, trainieren, scripten; hinter der Künstlichen Intelligenz steckt ein recht hoher Aufwand. Ist es möglich einen unternehmenseigenen, autarken, selbstlernenden KI-Bot zu erzeugen?
Na klar. Open AI hat es schließlich gemacht und ist mit ihrem KI-Bot nicht allein auf dem Markt – wenngleich sie aktuell mehr Aufmerksamkeit als Andere erhalten.
Für die Entwicklung sind zwei Voraussetzungen entscheidend: Zum einen ist die Verfügbarkeit von Rechen- und Speicherleistung wichtig. Zum anderen, und das ist entscheidend, benötigt man für die Erzeugung fähige Entwicklerinnen und Entwickler.
Hier sehe ich unsere Hochschulen in der Pflicht, denn ohne Menschen existiert keine Künstliche Intelligenz (KI). Wir müssen an unseren Hochschulen optimale Lehr- und Forschungsbedingungen für KI schaffen.
An der Technischen Hochschule Ingolstadt haben wir deswegen einige KI Bachelor- und Master-Studiengänge aufgebaut und bieten auch in der akademischen Weiterbildung einen Master-Studiengang Künstliche Intelligenz an. Mit dem Open Research Space und dem CoE unterstützen wir unsere Studierenden zudem, sich über das Studium hinaus mit dem Themenfeld KI zu beschäftigen.
- Müssen wir damit rechnen, dass ChatGPT in Zukunft einige Berufsgruppen übernehmen wird?
Text- und bildgenerierende KI wird zu einem neuen Werkzeug werden und wir müssen lernen, damit umzugehen. In den Arbeitsprozess integriert, wird es uns einige Arbeit abnehmen und der Mensch kann sich auf andere, gegebenenfalls kreativere, Tätigkeiten konzentrieren.
Wie wir konkret ChatGPT in den jeweiligen Berufsgruppen einsetzen, müssen wir noch lernen. Ganz generell sind viele KI-Anwendungen in den verschiedenen Berufsgruppen noch nicht geläufig. Hochschulen können hier den Transfer anbieten und den Lernprozess wissenschaftlich begleiten, um KI-Anwendungen optimal einsetzen zu können.
- In New York hat man bereits den Zugang zur Website von ChatGPT an öffentlichen Schulen gesperrt. Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft von KI-Bots bei uns aus – ist mit einem ChatGPT-Verbot zu rechnen?
Für mich überwiegen die Vorteile der KI. Wichtig ist zu verstehen, wie diese funktioniert. Nur so lassen sich KI-Anwendungen zielgerichtet und sicher anwenden, Ergebnisse kritisch hinterfragen und entsprechend reagieren. Sprich, wir müssen den Umgang mit KI lernen. Warum nicht schon in der Schule damit anfangen?
- Sie selbst forschen im Bereich Text- und Sprachverstehen. Wie wirkt sich ChatGPT auf Ihre Forschung aus und was kann das für zukünftige Mensch-Maschinen-Interaktion bedeuten? Können z.B. Geräte künftig auf den Chatbot zurückgreifen und per Sprache mit uns agieren?
Mittel- und langfristig gilt es in Deutschland eine entsprechende IT-Infrastruktur für die Forschung aufzubauen, mit der solche KI-Ansätze überhaupt erst erforschbar werden. Hier geht es auch um die Bestätigung von Forschungsergebnissen von unabhängiger Seite.
2011 erlangte IBM mit Watson bei der Quizsendung Jeopardy! einige Aufmerksamkeit. Zur gleichen Zeit wurde Siri von Apple vorgestellt, wenig später Alexa von Amazon etc. ChatGPT gibt einen ersten Eindruck davon, was mit KI im Bereich Sprach- und Textverstehen noch alles möglich ist. Die weltweite Begeisterung zeigt, in welche Richtung es geht: Wir möchten eine noch natürlichere Mensch-Maschinen-Interaktion. Wie diese konkret aussehen wird, bleibt abzuwarten. Das „Scrollen“ durch Listen hat jedoch in vielerlei Hinsicht bereits ausgedient. Es bleibt spannend.